Entwicklung // Halleluja, mein Kind ist trocken
Nein, das soll kein weiterer „So wird ihr Kind trocken“-Artikel sein. Wer mich kennt, der weiß, dass ich lediglich meine Erfahrungen mit euch teile und hoffe, dass jemand etwas von meinen Worten mitnehmen kann.
Ganz ehrlich: Das Thema „Trocken werden“ war lange, sehr lange Zeit ein Thema, was mich sehr belastet hat. Es hatte alles eigentlich recht gut angefangen. Mit knapp zwei Jahren hat unsere Große das erste Mal ins Töpfchen gepullert, zwei Monate später kam auch das große Geschäft dazu. So richtig tagsüber ohne Windel war sie allerdings erst ein Jahr später, zwei Monate vor ihrem dritten Geburtstag. Natürlich hab ich noch des öfteren eine nasse Hose vom Kindergarten mit nach Hause genommen. Aber sie ging ganz selbständig, ohne etwas zu sagen, auf Toilette (mittlerweile auch nicht mehr aufs Töpfchen, sondern auf die normale Toilette).
Das Baby
Dann kam unser Sohn auf die Welt und schlagartig änderte sich ihr Toiletten-Verhalten. Sie pullerte ständig ein, egal was ich tat, ob ich es versuchte zu ignorieren und ihr einfach beim Umziehen half, ob ich sie ausschimpfte (ja auch das konnte ich aufgrund meiner Hilflosigkeit irgendwann nicht mehr verhindern) oder ob ich sie alleine umziehen schickte, nichts half. Es verbesserte sich nicht und es war, als hätte sie verlernt, wie es ist, trocken zu sein und zu bleiben. Ein halbes Jahr später war ich mit ihr beim Arzt, ich gab ihren Urin ab, um eine Blasenentzündung oder ähnliches auszuschließen und erzählte ihm meinen Kummer. Damals war sie 3,5 Jahre alt und ihr kleiner Bruder ein halbes Jahr bei uns. Der Arzt nahm das Ganze sehr gelassen und hat mir geraten, ihr Zeit zu geben. Wenn es eben nicht mehr klappt, sollten wir doch einfach wieder die Windel nehmen, dann ist alles stressfreier.
Zurück zur Windel
Und ja, das taten wir dann auch. Ich hatte die Hoffnung, dass sie mittlerweile so weit und so gereift war, dass sie die Windel störte, aber nichts da. Sie hatte null Probleme damit und nahm die Bequemlichkeit gerne an. Ich war wirklich verzweifelt. Erstmal war der Stress weg, klar. Wir wechselten die Windeln, wie vorher auch, aber der Druck war immer noch da. Niemand erzählte von seinen Problemen (da haben wir das Schweigen der Mütter wieder mitten im Alltag) und ich fühlte mich vollkommen allein mit meinem Kind, was nicht damit klar kommt, nun auf einmal ein Geschwisterchen zu haben und als Folge dessen nicht trocken bleibt. Ich hörte nur, dass sich andere Mütter mit wesentlich jüngeren Kindern schon stressten, ob ihr eigenes Kind nicht längst trocken sein müsste und ich hörte mich daraufhin nur plädieren „Lass deinem Kind doch Zeit“ in der Hoffnung, mich selbst dadurch zu beruhigen.
Zeit lassen
Das ist das Stichwort. Zeit lassen. Das ist wirklich ganz schön schwierig, mit all der Ungeduld und dem Druck des Vergleichens in mir. Doch es war die einzige Lösung. Mittlerweile ist sie 4 Jahre und 8 Monate alt und an 28 von 30 Tagen im Monat tagsüber trocken. Manchmal hat sie noch ein paar Tropfen in der Unterhose, das kommt aber meist davon, dass sie es nicht so schnell geschafft hat, die Hose runterzuziehen oder sich nicht richtig abgewischt hat. Eine triefende Hose findet sich Gott sei Dank nur noch selten vor. Und nachts?
Nachts trocken werden
Auch der Druck nachts trocken zu werden, ließ mich zeitweise verzweifeln. Man hört ja wirklich nur die Geschichten, dass das Kind vielleicht noch eins, zwei Nächte eingepullert hat, aber ansonsten entweder komplett durchhält und morgens gleich auf die Toilette geht, oder einfach von ganz alleine nachts aufsteht, auf Toilette geht und dann schnurstracks wieder ins eigene Bettchen hüpft. Wie neidisch war ich auf diese Mütter! Und wie viele Sorgen machte ich mir, dass es bei meinem Kind nicht so einfach klappte. Kurz bevor sie 4 Jahre alt wurde, versuchten wir ein paar Nächte, ob sie trocken bleibt. Es war ein Desaster. Nasse Bettwäsche, mehrmals die Nacht, unser Bett ebenso wie ihrs. Das Kind weint, weil es so enttäuscht über sich selbst war. Nein, es war noch zu früh, wir brachen ab. Seitdem hatte ich Angst, es nochmal zu versuchen. Ich wollte ihr die Enttäuschung nicht nochmal antun. Und mir den Stress ehrlich gesagt auch nicht.
Der richtige Moment
Ganz klar: Den richtigen Moment, um nachts trocken zu werden, gibt es nicht. Wir haben einfach beim zweiten Anlauf darauf geachtet, dass die Umstände recht entspannt sind. Keine außergewöhnlichen Termine, kein Urlaub oder Übernachten woanders usw. Und dieser Moment kam für uns vor vier Wochen (zum besseren Verständnis: da war sie 4 Jahre und 7 Monate, ich springe also etwas im Berichten). Wir haben es so gemacht: Zum Abendbrot gibt es möglichst nicht mehr so viel zu trinken und danach machen wir die Kinder bettfertig. Die Große geht kurz vorm Schlafen nochmal pullern und schläft dann. Wenn wir ins Bett gehen, also gegen 23 Uhr, trägt einer von uns die Große auf die Toilette, damit sie nochmal pullert und das kann sie selbst im Schlaf machen. Oft genug schläft sie danach einfach weiter, ohne es bemerkt zu haben. Manchmal wird sie wach, weint und kommt dann zu uns ins Bett. Für die ersten Wochen haben wir immer eine Inkontinenzunterlage (die gibt es in regelmäßigen Abständen bei Lidl oder Aldi) in ihr Bett gelegt, damit das Bett nicht ganz so nass wird.
So machen wir es nun also seit vier Wochen und ich würde sagen, dass wir auf einem sehr guten Weg sind. Ich habe nicht mitgezählt, aber es gibt immer noch Nächte, in denen holen wir sie entweder zu spät auf die Toilette (wenn sie zum Beispiel zu viel zum Abendbrot getrunken hat) und sie ist dann schon nass, oder eben nach dem zweiten Toilettengang ist sie nochmal nass geworden und dann kommt sie meist zu uns ins Bett.
Aber diese Nächte werden immer weniger und ihr Harndrang wird ihr selbst immer bewusster. Gestern war die erste Nacht, in der sie selbständig um 23 Uhr ins Wohnzimmer kam, auf der Toilette pullerte und wieder ins Bett ging. Ohne Probleme. Auch da heißt es einfach wieder Zeit lassen, ruhig bleiben.
Offen darüber sprechen
Wie es bei uns also gelaufen ist, war mit Sicherheit kein Bilderbuch-Trockenwerden, wenn es das überhaupt gibt. Wir hatten viele Schwierigkeiten und ich hab echt an mir und meiner Tochter gezweifelt, oft geglaubt, es ist irgendetwas nicht normal mit uns. Es hätte mir geholfen, wenn ich von jemandem gehört hätte, dass es ähnlich lief. Aber wer spricht schon gerne über dieses heikle Thema. Ich habe es hiermit getan und bin guter Dinge, dass es bei uns trocken bleibt.
Ob ich etwas anders gemacht hätte? Hm, schwierig. Soll man seine Kinderplanung darauf ausrichten, ob das erste Kind schon lange genug trocken ist, um nicht aus der Bahn geworfen zu werden? Ich glaube nicht. Vielleicht hätte ich mehr mit ihr reden sollen. Aber darin bin ich nicht gut. Auch in Geduld hätte ich mich üben können, aber auch das fiel mir schwer. Letztlich muss jede Familie ihren ganz individuellen Weg gehen und schauen, wie es am besten klappt. Wünschen würde ich mir, dass die Eltern dafür allerdings beide Seiten kennen, die einfachen und die schwierigen und das geht – mal wieder – nur, wenn mehr darüber gesprochen wird.
Eva aus Sockenbergen
20. April 2017 at 14:48Schön geschrieben. Ja, wir sollten offen darüberreden. Leider muss ich dann auch sagen, dass wir hier ein Kind haben, welches noch mit 9 Jahren einnässt. Organisch ist alles in Ordnung, aber psychisch klappt es einfach nicht. Wir reden aber darüber, mit dem Kind, dem Umfeld, Therapeuten. Es gibt „Erfolge“, aber selten ein trockenes Bett. Wir üben uns in Gelassenheit. Nutzt ja nichts.
Filea
22. April 2017 at 22:08Liebe Eva, ich danke dir sehr für deine Offenheit und bin sehr stolz auf dich, wenn ich das so sagen darf, ohne dass wir uns kennen. Ich wünsche euch und eurer Familie alles Gute. So wie du schreibst, klingt das für mich entspannt und das ist bestimmt richtig. Weiter so!
Heike
3. Mai 2017 at 14:06ich bin hier heute über janina ganz zufällig gelandet und lese so ein bisserl quer….
erschüttert bin ich aber, wenn eine 31 jährige in dem einen artikel schreibt sie sei nun bei sich angekommen und total im reinen mit sich….😔und nur wenige tage vorher diesen artikel hier verfasst, wo wanzt darum geht einer in ihrem kopf offensichtlich fest eingeprägten gesellschaftlichen norm zu entsprechen was das trocken werden von ihren kindern angeht….ernsthaft??????
wenn ich das so lese und mir die situationen dazu vorstelle läuftces mir eiskalt den rücken runter….ein kind aus dem schlaf reißen um es auf die toilette zu setzen…..abends nix mehr zu trinken zu geben damit nix passieren kann….alle liegen im nassen bett……sorry, aber das sind ja echt methoden aus dem letzten jahrhundert 🙈
meine tochter hat noch im ersten schuljahr nachts eine windel getragen weil sie vom harndrang nicht wach wurde…..dafür haben wir nur ein einziges mal eine nasse matratze gehabt und ihr wurde dieses ober miese gefühl erspart was man dann als kind nämlich hat…..
mach dich mal wirklich locker und höre auf deine kinder zu dressieren….es gibt keine norm und keinen zwang….jedes kind wird irgendwann trocken….um so mehr getöse drum gemacht wird, umso schrecklicher für’s kind….aus eigener leidvoller kindheitserfshrung weiß ich wovon ich schreibe !!! lg
Filea
3. Mai 2017 at 21:46Jeder hat natürlich seine eigenen Erfahrungen gemacht, die einen selbst stark prägen. Ich höre bei dir sehr viele Verletzungen aus der Vergangenheit heraus; es tut mir leid, dass du das so erfahren musstest. Deswegen muss man andere allerdings nicht be- und verurteilen, nur weil sie es anders machen. Ich dressiere mein Kind nicht, ich versuche einen guten Weg zu finden und da sie jetzt schon nach kurzer Zeit entweder selbständig nachts auf die Toilette geht, weil sich die Blase meldet oder komplett durchhält, bin ich mir sicher, es war für uns der Richtige. Und zutrinken bekommt sie natürlich abends noch, nur eben in Maßen und nicht literweise. Wenn ihr einen anderen Weg für euch gefunden habt, ist das doch total in Ordnung.